Gradus ad parnassum 
 
   

 

Alt-Weiler Kirche, Weil am Rhein bei Basel
Sonntag, 4. Januar 2009, 17 Uhr

Gradus ad parnassum
Jan Dismas Zelenka

 

Gradus ad Parnassum (Aufstieg zum Parnass, ein Berg in Zentralgriechenland, der als Sitz der Musen gilt) ist das 1725 herausgegebene theoretische Hauptwerk von Johann Joseph Fux. Das Werk diente bis ins 20. Jahrhundert hinein als Lehrbuch des Kontrapunkts.

Wie zu olympischen Ehren zu gelangen, beweisen die wahrhaft genialischen Triosonaten des Dresdner "Kirchencompositeurs" Jan Dismas Zelenka, einem Schüler Fux.
"Anlangend seine Werke", schrieb Friedrich Rochlitz 1825 über Zelenka, "so zeugen sie von einem Tiefsinn, von einer Kenntniß gelehrter Harmonie und einer Geübtheit in deren Handhabung, die ihm seinen Stuhl nahe an den Vater Sebastians rücken". Was Zelenka mit Johann Sebastian Bach verbindet und vom routiniert-eleganten Telemann und dem weltgewandt-dramatischen Händel unterscheidet, ist sein fast faustisches Bemühen, im Rahmen der Möglichkeiten seiner Zeit das zu ergründen und auszuschöpfen, was die Musik "im Innersten zusammenhält". Ähnlich wie Bach in der "Kunst der Fuge" demonstriert Zelenka in seinen Triosonaten seine ganze kontrapunktische Kunstfertigkeit und führt dem staunenden Zuhörer die Fülle seiner kompositorischen Meisterschaft exemplarisch vor. Die im zeitüblichen Sixpack entstandenen Triosonaten lassen sich als ein Reflex auf Zelenkas Lehrzeit beim Wiener Meister Johann Joseph Fux verstehen und zählen ohne Übertreibung zu den größten Werken barocker Kammermusik.

Markus Kettner

 

Ensemble CAPRICORN
Andreas Wäldele – Violine, Hansjürgen Wäldele – Oboe
Nicolas Rihs – Fagott, Bernd Schöpflin – Kontrabass
Françoise Matile – Cembalo

 

 

 

Barocke und andere "Perlen"

Aus der barocken Dutzendware ragt er wie ein Solitär heraus: Der böhmische Bach-Zeitgenosse Jan Dismas Zelenka hat verblüffend originelle Musik geschrieben, die zum Besten zählt, was es an barocker Kammermusik gibt. Seine Triosonaten sind von einem Einfallsreichtum und dabei von einer so kunstfertig gearbeiteten polyphonen Satzstruktur, dass es nur so Staunen macht. So war es ein Kammermusik-Erlebnis der Sonderklasse, wie das Ensemble Capricorn bei seinem Neujahrskonzert in der Altweiler Kirche drei dieser Triosonaten des Böhmen spielte.

Zelenkas komplizierte Triosonaten stellen derart hohe Ansprüche an spieltechnische Virtuosität und Gestaltungsvermögen, dass es dazu schon so inspiriert spielende und instrumental fabelhaft bewanderte Solisten braucht wie die von Capricorn. Die Besetzung mit dem Oboisten Hans-Jürgen Wäldele, dem Fagottisten Nicolas Rihs, dem Geiger Andreas Wäldele, dem Kontrabassisten Bernd Schöpflin und der Cembalistin Francoise Matile ist ein wahrer Glücksfall. Sie haben den nötigen Esprit und Schwung für Zelenkas kühne Würfe und kosten genussvoll die Klangschönheiten und Affekte aus, spielen mit klarer Durchzeichnung, so dass die kontrapunktische Feinarbeit transparent wird. Dank ihrer ebenso differenzierten wie spielfreudig-vitalen Darstellung machen diese vortrefflichen Interpreten die Zuhörer hellhörig für Zelenkas außergewöhnliches Sonatenschaffen.

Auffallend bei Zelenka, wie man in der zweiten, fünften und sechsten Sonate für Oboe, Violine, Fagott und Basso continuo hören konnte, sind die virtuos behandelten Soli. Hier stachen besonders die Bläser mit prägnanter, lebhafter Artikulation hervor. Wie der Fagottist mit großem Atem für Melodiebögen und unglaublich wendigem Klang solistisch hervortritt und mal feine Fagott-Tupfer setzt, ist ein wirklicher Hörgenuss. Und wie tonlich ausgefeilt Wäldele die Oboenstimme einsetzt, sie ebenso beredt, rhetorisch akzentuiert wie sanglich führt, das ist kaum zu übertreffendes geistreich-animiertes Bläserspiel. Auch in den heikelsten Stellen von höchstem Schwierigkeitsgrad herrscht in diesem Ensemble ein genaues kammermusikalisches Aufeinanderhören, ein vorwärts treibender Spielfluss und tänzerischer Impuls, der fast etwas Spontanes hat.

Doch ein ganzes Konzert nur Zelenka, das wäre wohl ein bisschen zu schwere Kost geworden. Also haben sich die Musiker etwas Besonderes einfallen lassen, wobei der Name Wäldele ja gern für Unkonventionelles steht. So wurden die Barocksonaten aufgelockert, eingerahmt und auch kontrastiert durch "Perlen" der einzelnen Musiker. Den Anfang machte Bernd Schöpflin am Kontrabass, der zusammen mit Andreas Wäldele in herrlich entspannter Jazzlaune Herbie Hancocks "Chamäleon" spielte. Die Perle von Francoise Matile war eine Klavierfantasie des Bach-Sohnes Wilhelm Friedemann, die sie "perlend", empfindsam und fingerfertig-geläufig auf dem Cembalo darbot. Nicolas Rihs hatte sich ein Duett von Boccherini ausgesucht, eine Fuga für zwei Bassinstrumente, die er im angeregten Dialog mit dem Kontrabassisten aufführte - wie ein Gespräch unter guten Freunden. Hans-Jürgen Wäldele ließ sich für seine eigene Komposition ein bisschen von der Musik aus "Orfeo Negro" inspirieren. Und Andreas Wäldele, der Grenzgänger zwischen Jazz, Zigeunerswing und Klassik, packte in seine Bearbeitung eines Csardas alles hinein: Geigenschluchzer, schmelzendes Melos, schneller, rasanter Rhythmus, zündendes Feuer – und Humor. Einfach fulminant! Das Publikum in der voll besetzten Kirche war restlos begeistert. Auf die Frage "Wollen Sie noch einen Zelenka oder eine Perle?" kam sofort die Antwort: "Beides!".

ros, Badische Zeitung vom 7.01.2009

 

 

 

 
 
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Stand: 07.07.2009